Was ist Yoga?
Wer sich heute in unserem Kulturkreis mit Yoga beschäftigt, findet den Zugang dazu häufig über den Bereich der Körperübungen. Oft sind es körperliche Beschwerden und/oder Stress, die uns Zivilisationsgeplagten den Weg auf die Matte weisen. Der Arzt, der bei Rückenbeschwerden das präzise körperliche Üben für mehr Körperbewusstsein, Beweglichkeit und Kraft empfiehlt oder die Freunde und Bekannten, die bei Anzeichen von Erschöpfung oder Überlastung gerne erzählen, wie sie beim Yoga gelernt haben, mal wieder richtig loszulassen. Sich Zeit zu nehmen für die eigenen Bedürfnisse, auszutreten aus dem Hamsterrad des ewig Gleichen und für eine Weile mit sich und seinen individuellen Befindlichkeiten sein zu dürfen, ohne ein schlechtes Gewissen: Das ist das, was Yoga für uns heute in unserer schnelllebigen Zeit so unendlich wertvoll und besonders macht.
Wer sich auf den Yoga-Weg einlässt, merkt schnell, dass es ganz offensichtlich um mehr geht als das körperliche Training – eventuell angereichert mit ein paar esoterischen Schnörkeln drumherum. Auch gut geführte Meditationen oder das Üben mit dem Atem hinterlassen zweifelsohne ihre (positive) Wirkung, ohne dass man genau sagen könnte, was es denn nun ist, das da wirkt. An dieser Stelle hilft der Blick auf die Entstehung des Yoga und seine Wurzeln, der zeigt, dass Yoga alle Ebenen unseres Seins anspricht und so zu einem Lebensweg werden kann, der in alle Facetten des Alltags, egal wie banal sie vielleicht erscheinen mögen, hineinreicht.
Wir können Yoga als ein ganzheitliches System verstehen, als einen Übungsweg mit einem klaren Ziel, das dennoch nur schwer greifbar oder erklärbar ist. Je nach Sichtweise, Tradition und Art des Praktizierens wird Yoga sehr unterschiedlich definiert. Allgemein spricht man sehr häufig davon, Yoga zu machen, was zumeist das körperliche Üben von Haltungen und Abläufen im Rhythmus der Atmung meint und gerne im Bereich Sport verortet wird. Dabei kann die Intensität zwischen sanft-entspannend bis hin zu kraftvoll-powernd ein breites Spektrum umfassen und in Bezug auf Stressabbau und/oder Körperertüchtigung gute Resultate erzielen. Nicht zuletzt deshalb unterstützen hierzulande auch viele Krankenkassen den Besuch von Yogastunden.
Fragt man Teilnehmer*innen, insbesondere diejenigen, die mit Yoga beginnen, nach ihrer Motivation, sind neben schlichter Neugier, weil Yoga gerade so gehypt wird, vor allem der Wunsch nach mehr körperlicher Flexibilität und vor allem Entspannung die maßgeblichen Impulse, sich für einen Kurs anzumelden. Immer wieder heißt es dann: „Ich muss mal wieder runterkommen, ich möchte mehr in meiner Mitte ankommen, ich möchte mich wieder besser spüren lernen“. Insgesamt scheint es also darum zu gehen, mit sich selbst in Verbindung zu kommen, in eine Verbindung, die mehr und mehr verloren geht durch die sich so rasant verändernden Anforderungen in unserem Alltagsleben. Es ist der Wunsch nach der eigenen, individuellen Ganzheit, nach der Integration von Körper und Geist- von dem was fühlt und dem was denkt – sowie der Wunsch, in sich selbst zu ruhen, um weniger zerissen und getrieben zu sein durch äußere Gegebenheiten.
Und um nichts anderes geht es, wenn wir uns „auf den Weg zur Erleuchtung“ machen. Wenn wir uns auf die Suche machen nach Moksha, Kaivalya oder Samadhi, auf die Suche nach Einheit, nach Verbindung, die zwar unterschiedlich benannt sein kann, doch immer die gleiche Erfahrung meint. Es geht darum, sein eigenes Potenzial zu erkennen und zu schätzen – darum, sich selbst mit einem liebevollen Blick zu begegen, der frei ist von Bewertungen oder Vergleichen. Dafür lohnt es immer wieder aufs Neue, seine Matte auszurollen :-).